Heute liefen zum wiederholten Male meine neuesten 60er-Jahre-ZugÀnge:
SANTANA - Santana (1969)
Viele kennen Carlos Santana heutzutage wohl vor allem durch seine glatten 90er Pop-Hits, oder vielleicht noch âBlack Magic Womanâ vom zweiten Album von 1970. Dass der Gitarrist aber sehr wild und unangepasst angefangen hat, ist manchen wohl gar nicht bewusst und auch ich habe lange Zeit einen Bogen um sein Werk gemacht, obwohl mir die detailverliebten Cover der ersten beiden Alben (die ich als LP schon oft in der Hand hatte) schon lange gefielen.
Ein groĂer Fehler, wie ich nun sagen kann, nachdem ich vor einigen Wochen die erste LP gebraucht in einem Plattenladen gekauft hatte (und inzwischen so einige Male gehört habe)!
Dieser Mix aus Rock, Funk, Jazz, Blues, und Lateinamerikanischer Musik mit teils afrikanischen Rhythmen wirkt vor allem hier noch sehr ungestĂŒm, innovativ und einfach ungemein mitreiĂend!
âWaitingâ leitet die Scheibe rein instrumental ein, hat einen lockeren Groove und wird von Orgel und Congas dominiert. Die Gitarre hĂ€lt sich als Rhythmusinstrument die meiste Zeit unauffĂ€llig im Hintergrund, spielt sich aber dann noch in einem tollen Finale immer wilder werdend in den Vordergrund. âEvil Waysâ ist dann noch entspannter, was sowohl durch den Rhythmus als auch die leichten Gesangsmelodien kommt. Im letzten Viertel wird hier aber noch mal instrumental die Sau rausgelassen und ein Gitarrensolo beendet das StĂŒck. âShades Of Timeâ geht dann auch erst mal etwas fetziger los, hat aber wieder eine etwas lockerere Strophe, der Refrain wird dann wieder wilder. Hier ist die Gitarre im Gegensatz zu den vorherigen StĂŒcken fast die ganze Zeit ĂŒber im Vordergrund mit tollen Melodien und Improvisationen. Das StĂŒck geht dann nahtlos in das instrumentale âSaviorâ ĂŒber, dass mit fetzig-funkigen Gitarren, hektischer Orgel und schnellen Percussions begeistert. Als Abschluss der A-Seite folgt das wohl vielen bekannte âJingoâ (das, wie ich erst kĂŒrzlich erfahren habe, ein Cover ist - das Original stammt wohl bereits aus den spĂ€ten 50ern). Der Song war meines Wissens die erste Single der Band, allerdings fĂŒr mich absolut kein Highlight auf diesem tollen Album (etwas zu monoton, wenn auch die Gitarre wieder SpaĂ macht).
Die B-Seite beginnt mit dem geilen âPersuationâ - vielleicht das hĂ€rteste StĂŒck von Santana, die Gitarre wirkt hier irgendwie stĂ€rker verzerrt als sonst, der Rhythmus ist treibend und der hier zu hörende SĂ€nger (es singen verschiedene Leute auf dem Album) klingt hier auch rockiger. Highlight! Es geht mit Treat - einem Instrumental - erst mal ruhiger und recht jazzig weiter. Hier ist ausnahmsweise ein Klavier das MelodiefĂŒhrende Instrument, der Rest zuerst nur unauffĂ€llige Begleitung, wobei in der Mitte ein fast aggressiver Ausbruch mit tollem Gitarrensolo folgt, der dann wiederum durch einen sehr ruhigen Schluss konterkariert wird (in dem ebenfalls Santana auf der Gitarre soliert, diesmal sehr gefĂŒhlvoll).
âYou Just Donât Knowâ hingegen basiert dann auf Blues, hat aber viele Rhythmuswechsel und Breaks, sowie auch wieder ziemlich rockige Gitarren und rauen Gesang.
Als letztes folgt mit dem langen Instrumental âSoul Sacrificeâ noch ein vielseitiges Highlight (wobei dieses Album viele solche hat), das mit Gitarre und Orgel zugleich beginnt, die sich dann in einer Art Dialog abwechseln. Danach kommt ein reiner Percussion-Part, woraufhin abwechselnd Gitarre und Orgel jeweils als Lead- oder Rhythmusinstrument agieren, ersteres dann teils wild improvisert. Kurz vorm furiosen Finale wird es noch ganz kurz ruhiger.
Wirklich ein lohnendes, kreatives Album - manchmal vermisse ich nach dem Genuss solcher Scheiben bei Aktueller Musik dieses freie, oft improvisierte Musizieren jenseits aller Genregrenzen!
Das groĂartige Schwarz-/WeiĂ-Cover rundet den Gesamteindruck auĂerdem einfallsreich ab und muss daher hier noch gesondert erwĂ€hnt werden - von weiter weg hatte ich frĂŒher ĂŒbrigens immer nur einen Löwenkopf gesehen, bis mir nach und nach auch die schwarze Frau und immer mehr menschliche Gesichter aufgefallen sind (dĂŒrften mindestens 8 sein, alle im Löwenkopf - wobei oben rechts in der Ecke meine Fantasie auch oft noch ein neuntes Gesicht erkennt, was aber auch unbeabsichtigt vom KĂŒnstler gewesen sein kann. Damit man es hier ĂŒberhaupt erkennen kann, hab ich diesmal ein gröĂeres Bild davon verlinkt).
PROCOL HARUM - Shine On Brightly (1968)
Nachdem ich lange nur eine Single mit den beiden 1967er Songs âA Whiter Shade Of Paleâ (das StĂŒck fand ich in frĂŒhester Kindheit in den frĂŒhen 80ern schon toll) und âHomburgâ, sowie dem von 1969 stammenden âA Salty Dogâ hatte, wurde es wirklich mal Zeit, mich mit dieser Band nĂ€her zu befassen.
Und ich bin gerade fast schon bestĂŒrzt, dass ich dieses zweite Album der Band noch nicht kannte und dadurch offenbar eine enorme BildungslĂŒcke im Bereich des frĂŒhen Progressive Rock hatte (in dem ich meinte, mich bereits sehr gut auszukennen) - das Album klingt nĂ€mlich stilistisch (sowohl musikalisch, als auch, was den Gesang angeht) zumindest zum Teil schon ziemlich nach dem, was GENESIS erst zwei, drei Jahre spĂ€ter gemacht haben (auch, wenn man gerade im Gitarrenbereich sofort merkt, dass da unterschiedliche Leute am Werk waren)!
Mit kurzer, klassisch anmutender, fast sakraler Orgeleinleitung beginnt âQuite Rightly Soâ, bevor die Orgelmelodie beschwingter wird und dann auch von recht lĂ€ssigem Gesang begleitet wird. Beides schwenkt aber schnell in dramatischere Gefilde um, bzw. wechseln sich diese unterschiedlichen Stimmungen hier ab.
âShine Onâ lĂ€sst ebenfalls leichte Klassik-EinflĂŒsse erkennen (und wie der SĂ€nger hier das âHahâ am Ende bringt, erinnert es mich irgendwie sehr an den viel spĂ€teren Phil Collins in âMamaâ).
In âSkip Softlyâ geht es teilweise fast schon lustig-verrĂŒckt zu, gerade beim schnellen Schlusspart. âWish Me Wellâ hingegen ist getragener, fast etwas melancholisch-entrĂŒckt, wobei der Refrain dann etwas expressiver klingt und in der Mitte des Songs unerwartet kurz Spannung aufgebaut wird, es dann aber wie vorher weitergeht und noch ein Gitarrensolo folgt, wĂ€hrend es gesanglich emotionaler wird (interessanterweise wird dabei aus- und wieder eingeblendet und am Ende wirdâs wieder langsam leiser, bis es ganz still wird).
Mit âRambling On" beendet noch ein etwas simplerer Rocksong die A-Seite.
Nach der fast orchestral wirkenden Einleitung âMagdalene (My Regal Zonophone)â folgt auf der B-Seite das ĂŒber 17-minĂŒtige, suite-artig aufgebaute âIn Held Twas In Iâ - meines Wissens das Ă€lteste Rock-StĂŒck dieser Art und LĂ€nge!
Es beginnt mit lautmalerischen GesĂ€ngen, dann wird es verhaltener (nur Klavier und jemand erzĂ€hlt dazu). Es folgen GlockenschlĂ€ge, Trommelwirbel und ein verrĂŒckter, zirkusmusikartiger Teil (dieser Part heiĂt passenderweise auch âTwas Teatime at the Circus"), der wirklich wie eine Blaupause fĂŒr entsprechende Parts bei Genesis mit Peter Gabriel klingt (ich denke, Procol Harum mĂŒssen enorm wichtig fĂŒr die musikalische Entwicklung der frĂŒhen Genesis gewesen sein, anders kann ich mir diese deutlichen Ăhnlichkeiten nicht erklĂ€ren)!
Danach wird es auf eine Art episch, dass ich mich fast ein wenig an (ebenfalls erst spĂ€tere) Pink Floyd erinnert fĂŒhle, allerdings mit dominanter Orgel. Der Part wird langsam ausgeblendet, dann folgt abrupt eine schrĂ€ge Gitarrenmelodie zu fast schon bedrohlich klingender Orgelbegleitung, dann wird die Melodie von âMagdaleneâ noch mal von der Gitarre aufgegriffen. Es folgt eine epischer, bis auf den Gesang schon filmsoundtrackartiger Part mit Cembalo und Klavier bis ein wunderschönes Finale mit Chor das Album abschlieĂt.
Nach meinem derzeitigen Kenntnisstand stellt dieses Album (immerhin bereits ab Ende 1967 aufgenommen) das Ă€lteste dar, das ich bereits als reinrassigen Progressive Rock (wie er eigentlich erst ab 1969/70 so richtig typisch war) bezeichnen wĂŒrde, vor allem auf die B-Seite bezogen! Unglaublich, was da alles passiert, wie unterschiedlich die verschiedenen erzeugten Stimmungen und musikalischen Ausdrucksmittel sind!
(Oben ist ĂŒbrigens links das Originalcover der Erstauflagen zu sehen, rechts das meiner Doppel-LP aus den 70ern, bei der das vierte Album auch noch enthalten ist. Dieses Cover zierte allerdings auch schon einige Ausgaben aus den 60ern - da natĂŒrlich ohne die "2 original LP's" Info links oben.)