von Goatstorm » 29. Februar 2012, 21:32
Zensur ist ein schwieriges und wichtiges Thema, auf das es keine einfache Antwort gibt. Deswegen denke ich, dass eine Indizierung auf Liste A (oder teils auch B) und die BPjM selbst nicht direkt mit Zensur gleichzusetzen ist.
Grundsätzlich lehne ich jede Form von Zensur ab. Egal ob Presse, Kunst, Metal, HipHop oder Sonstiges. Es braucht in einer Demokratie extreme Positionen, die stets auf's Neue die Grundwerte der Gemeinschaft vergegenwärtigen und hinterfragen. Eine Demokratie muss so etwas aushalten. Tut sie das nicht und greift zur Zensur, ist das meist ein Signal für Unsicherheit und im schlimmsten Fall autoritäre Tendenzen. Deshalb ist der gesellschaftliche Umgang mit Extrempositionen immer auch ein Indikator, wie es um den öffentlichen Diskurs und damit um unsere Demokratie bestellt ist.
Gleichwohl halte ich es auch für richtig, wenn 13-Jährige (und um Jugendliche geht's ja bei der BPjM) keinen freien Zugang zu Landser-, Vaginal Jesus-, Battle Beast- oder sonstigen bedenklichen CDs bekommen. Nur stellt sich die Frage, ob dies Aufgabe des Staates sein muss, oder es nicht besser von den Erziehungsberechtigten geleistet werden sollte. Zum anderen gestaltet sich die Situation in der Praxis ohnehin völlig anders. Die Eltern halten Landser womöglich für Schlager (rechte Bands setzen in den letzten Jahren gerade deswegen immer mehr auf "harmlose" Musik, die nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die Texte zulässt...), und wenn ein Jugendlicher an indizierte/beschlagnahmte Medien kommen will, dann kommt er da heutzutage jederzeit auch ran.
Am wichtigsten ist deshalb, denke ich, eine solide "Medienausbildung". Am besten bereits in der Grundschule, die Kindern/Jugendlichen hilft, Medieninhalte richtig einzuschätzen und zu verarbeiten. Daneben ein stabiles soziales/familiäres Umfeld und eine gute Schulbildung. Wäre dies in Deutschland flächendeckend gegeben, würde es keiner staatlichen Instanz bedürfen, die in die Kunst/Presse/den öffentlichen Diskurs regulierend eingreift.
Anyway, da die Realität anders aussieht und es die BPjM eben nun mal gibt (und aller Voraussicht nach auch weiter geben wird), bleibt letztlich nur die Hoffnung, dass die richtigen Leute mit entsprechendem Szenewissen und entsprechender Sensibilität auf den entscheidenden Positionen sitzen. Zum anderen muss auf die BPjM auch entsprechend Druck von Szeneseite, aber auch von wissenschaftlicher Seite ausgeübt werden, sollte sich zeigen, dass es zu Willkürindizierungen à la "Witchfinder General – Friends of Hell" kommt. Save us from those who would save us.
Erwachsenen Menschen hingegen (wie teils mittels Liste B) den Konsum von oder die Auseinandersetzung mit extremer Kunst vorzuenthalten, halte ich persönlich hingegen für ein Unding. Allerdings hängt natürlich auch hier ein ganzer Rattenschwanz dran, den auszuführen hier den Rahmen sprengen würde (vor allem was die Produktion von extremer Kunst betrifft ...). Das richtige Maß und die richtigen Grenzen zu finden, ist höllisch schwierig. Aber darauf läuft es letztlich hinaus: Wo ist die Grenze zwischen Straftat und Kunstwerk, wo zwischen Denkanstoß und Verfassungsbruch? Das ist schon von Land zu Land, von Kultur zu Kultur unterschiedlich. Was in Niedersachsen als Androhung von Gewalt empfunden wird, ist in der Oberpfalz womöglich eine alltägliche Begrüßung. Allein positivistisch auf das StGB zu verweisen, halte ich für zu kurz gegriffen. Die jeweilige Zeit und Kultur muss immer auch mitgedacht werden. Wir leben heute nicht mehr in den 1950ern. Unsere Kultur ist dynamischer als Paragraphen.
Eine einfache Lösung gibt es nicht, aber man muss die Entwicklung im Auge behalten und notfalls Druck auf die Entscheidungsträger ausüben.
Sblood, thou stinkard, I’ll learn ye how to gust … wolde ye swynke me thilke wys?