Ring frei für Runde zwei.
RUNNING WILD – Branded And Exiled (1985)Wir schreiben das Jahr 1985 und unsere hanseatischen Freunde lassen "Branded And Exiled" auf die lechzende Metal-Meute los. Um die Situation in Deutschland etwas besser einordnen zu können, schauen wir uns kurz um. Die Hamburger Kollegen von HELLOWEEN haben gerade ihr Debut "Walls Of Jericho" veröffentlicht, RAGE stehen mit "Reign Of Fear" in den Startlöchern und ACCEPT zeigen, wo das "Metal Heart" schlägt. Die immer weiter aufkeimende deutsche Thrashszene schickt Hassbatzen wie "Endless Pain" und "Infernal Overkill" ins Rennen. Von all dem lassen sich RUNNING WILD aber nicht sonderlich beeinflussen. Hauptinspirationsquelle sind nach wie vor die britischen Überflieger JUDAS PRIEST. Das Cover von "Branded And Exiled" bewegt sich abermals treffend in der Feuer-Stahl-Bildlichkeit und schließt somit direkt an das Debut an.
Doch nun zur Musik: Einen besseren Einstieg kann man sich in ein Heavy Metal-Album gar nicht wünschen. Ein Riff, dann setzen die Drums ein und schon nach zehn Sekunden öffenen sich akustisch nochmals die "Gates To Purgatory". Jawoll! Doch leider bemerkt der geneigte Hörer auch sehr schnell ein kleines Manko der Scheibe. Der Sound von "Branded And Exiled" kann leider nicht mit "Gates To Purgatory" mithalten. Das schmälert das Vergnügen aber nur am Rande, denn songwriterisch ist alles im Lot. "Branded And Exiled" ist ein wuchtiger und mitreißender Opener, nach dem eigentlich nicht mehr viel schief gehen kann. Auch textlich fühlt man sich gleich wieder zuhause. Oder wie klingt das?
Many relegated all across the lands
Together we've got the power in our hands
We're strong enough to fight mendacious laws
We've got the wrath, 'cause we are
Branded and exiled
Together we can stand the nightNach diesem Auftakt folgt "Gods Of Iron", ein Song wie eine Wand. Fett und scheinbar unüberwindbar. Danach wird es wieder extrem priestig. Die Gitarrenarbeit von "Realm Of Shades" könnte 1:1 von Tipton/Downing stammen. Selbstredend ebenfalls ein toller Song. Besonders möchte ich euch die tollen Leads ab 2:46 ans Herz legen, die einfach ein herrliche Ergänzung zum sonst sehr stampfigen Song bilden.
Im Allgemeinen stehen RUNNING WILD ja nicht unbedingt für Abwechslungsreichtum. Dies war jedoch bei den ersten Alben noch ganz anders. Der vierte Song "Mordor" – man lausche den Gitarren – beschreitet einen gänzlich neuen, aber ebenfalls reizvollen Weg. Bei "Fight The Oppression" geht es dann wieder viel schneller zur Sache. Rein instrumental könnte der Song auch auf "Walls Of Jericho" stehen. Selbst der Eröffnungsschrei erinnert frappierend an die Kürbisköppe.
"Evil Spirit" ist dann der wohl unspektakulärste Song. Ich mag ihn trotzdem, denn schön
evil is er auf jeden Fall. "Marching To Die" ist eine weitere typische RUNNING WILD-Nummer. Auch stark, doch der Kenner macht sich nun schon mal locker für den Abschlussknaller...
Mit "Chains And Leather" können RUNNING WILD nämlich tatsächlich an die Hymne "Prisoner Of Our Time" anknüpfen. Gibt es etwas Schöneres wie rotzbesoffen bei einer Kellerparty mit einer Pulle Bier in der Hand und einer Kippe im Mundwinkel den Refrain "Chains And Leather" zu gröhlen?
We are right praying metal tonight
The message from hell and its spell
Even Satan wears leather, our souls to it forever
So let us pray our rules tonight
Chains & leatherAnekdote am Rande: Viele der jüngeren Semester werden nicht wissen, bei welcher Band RUNNING WILD den Support-Slot ergattern konnten, um "Branded And Exiled" zu betouren. Es waren keine geringeren als MÖTLEY CRÜE.
Also Freunde, even Satan wears leather!