Stuttgart, Porsche-Arena, 11.11.17
Normalerweise meide ich eher größere Events dieser Sorte, aber die Kürbisköppe in trauter Einigkeit konnte ich mir nicht entgehen lassen. Und es war ein toller Abend, der sich zur Zugabe hin tatsächlich zu einem kleinen Feschtle, wie der Schwabe sagt, in der ausverkauften Porsche-Arena entwickelt hat. Keine Ahnung, wieviele beinharte Kiske-Fans in der Halle waren, aber den Einstieg in den Set mit der Langversion von Halloween fand ich schon mutig. Das war natürlich ein perfekter Paukenschlag gleich zu Beginn.
Und dann der Deris. Was ist schon alles über ihn geschimpft worden, der könne nichts, zersinge die alten Kiske-Songs, etc. Davon habe ich an jenem Abend nichts mitbekommen. Sehr kräftig bei Stimme, zielsicher intoniert, sogar in den Höhen, stark! Und sympathisch ist der Kerl auch irgendwie. Mich hat es gar nicht und Nullkommanix gestört, dass Kiske und Deris vieles im Duett gesungen haben. Im Gegenteil, ich finde, dass beide Stimmen sehr gut harmoniert haben, sich bisweilen ziemlich stark ergänzend.
Das wirklich Spannende an dieser Tour zeigte sich für mich im ganzen Verlauf des Abends. Nämlich das Nebeneinander dreier Band-Phasen, die jede einzeln betrachtet sehr unterschiedlich sind und trotzdem - offensichtlich nicht für jeden, für mich allerdings völlig - ansatzlos, zwanglos, flüssig und passend ineinander übergehen und tatsächlich auch nebeneinander bestehen können. Nachdem einige Keeper-Songs wohlschmeckend dargeboten wurden, war ich wirklich auch vom hard rockenden Deris-Glamour angetan. Da passt auch sein Bühnenverhalten perfekt dazu. Dem nehme ich den glitzernd swingenden Perfect Gentleman absolut ab, der Song war in seiner Darbietung ein erster kleiner, unterhaltsamer Höhepunkt für mich. Harald Juhnke wäre stolz auf ihn.
Die Comic-Einspielungen mag man peinlich finden, haben aber schöne inhaltliche Bögen durch den ganzen, beinahe dramaturgisch durchkomponierten Set gespannt, Albumtitel und Cover, Schwichtenberg und Kürbiskitsch fein eingeflochten. Und immer wieder kurz der „Happy-Happy-Halloween“-Jingle eingespielt... und dann hatte ich einen Moment lang meine Aufmerksamkeit nicht beim Bühnengeschehen und flugs hatte mich der olle Hansen´s Kai hinterrücks kalt am Gemächt erwischt. Du liebe Zeit, hat mich das an meine Sitzlehne gedrückt. Für mich wohl der Höhepunkt im gesamten Sets. Die Legende Kiske, klar. Die Abendüberraschung Deris, schön.
Aber der technisch sicherlich schwächste der Drei Sangesknaben haut die Sägespäne raus, dass es eine einzige Freude war. Sinnesbetäubend war das EP/Walls-Medley. Brachial, die Bühne immer wieder in die gelb-orange-grün-dunkelschwarzen Farbtöne der EP getaucht, hier dann keine 2 umherlaufenden Sänger mit Mikro, sondern der Kai am Ständer, ein auf die Urgewalt reduziertes Bühnenprogramm. Mannmannmann, hier also schlägt mein lautestes Helloween-Herz.
Und trotzdem, auch das weitere Programm am Abend war phantastisch, und gerade eben in dieser Abwechslung so spannend, schön und unterhaltsam. Are you Metal brauch ich auch nicht, diese anderen Schmachtfetzen (If I could fly oder sowas) sind natürlich nicht das, was ich mir zu Hause anhöre, aber das alles hat sowas von gut zusammen gepasst. Peinlich fand ich da nichts, das ist einfach Helloween in einer 30-Jahres-Gesamtschau. Erinnert mich irgendwie an Riot in den unterschiedlichsten Phasen. Hansen-Urgewalt, Kiske-Epic und Deris-Glamour. Das ist Metal-Zirkus, das ist Unterhaltung mit immer wieder mal riesigem, mal weniger großem Anspruch im Songwriting. Sehr variabel, von der Songvielfalt als auch von der Live-Show her gesehen.
Statisch oder lahm war auf der Bühne eigentlich nichts (mit kleinen Abstrichen Kiske, der ist wohl nicht mehr der große Entertainer). Die Ansagen von Deris und Kiske, ok, waren etwas holprig, aber haben sich ja auch echt im Rahmen gehalten. Ansonsten habe ich mich immer wieder über die sympathisch wirkende Stimmung der ´weenies untereinander gefreut.
Und vor allem mit der Zugabe haben sie nochmal richtig Gas gegeben. Kiske hat mit Eagle fly Free seine, unerwartet, stärkste Gesangsleistung des Abends gegeben, und Future World/I want out hat sogar die Kategorie 50+ teils aus den Sitzschalen gerissen. Da wurden die ergrauten Schläfen kräftigst geschüttelt.
So, abschließend: nach 30 Jahren habe ich diese Band nun endlich einmal live gesehen. Mit der Pink Bubbles und dem Titel Heavy-Metal-Hamsters hatte ich eigentlich abgeschlossen, sogar Keeper-II war mir schon zu tralala. Das war mir damals zu blöde. Daher habe ich die Deris-Phase danach dann komplett außen vor gelassen. Vielleicht war es gerade dieses Unwissen über den derzeitigen Band-Stand. Und Helloween können einfach 30 Jahre nach Keeper I nicht mehr wie damals sein, united hin, united her. Die Band hat sich scheinbar stetig bewegt, und diese Entwicklung kann man an solch einem Konzertabend sehr gut nachvollziehen. Ich bin mächtig froh, dabei gewesen zu sein.
Fast so als würde es Riot United geben. Mr. Reale umgibt sich mit Guy, Rhett, Tony, Mike und Todd... hach...