So, heute Abend ist es endlich so weit, ich beginne mein eigenes Review...
Die Wahl des Albums mag überraschen:
Edguy - Space Police: Defenders Of The Crown
Meine 2014er Nummer 1, die ich mir leider erst Anfang diesen Jahres gekauft habe...
Edguy waren für mich eine frühe Metal-Band (auch wenn sie doch deutlich nach Hammerfall, Blind Guardian, Seventh Avenue, Warlord oder Iron Maiden kamen). Meine ersten Metaler-Jahre wurden stark durch die Hessen geprägt, wobei ich die ersten beiden Avantasia-Alben immer etwas stärker als die (damals schon rockiger werdenden) Edguy-Releases fand.
Meine Liebe zu Edguy hat über die Jahre deutlich abgenommen. Nach der großartigen Hellfire Club, meinem Erstkontakt, konnte mich die abwechslungsreiche Rocket Ride durchaus überzeugen. Mit Tinnitus Sanctus folgte der Absturz, und auch Age Of The Joker konnte mich nur etwas mehr erreichen. Die Langzeitwirkung blieb zumindest wieder aus. Als ich dann noch entdeckte, dass Mandrake oder Theater Of Salvation die letzten beiden Alben ebenfalls nicht nur in die Tasche steckten, sondern geradewegs zermalmten, und auch Avantasia mit The Mystery Of Time völlig blass blieben, schien irgendwie klar für mich - Sammet bringt nix mehr auf die Reihe. So lies ich die Space Police im Laden liegen und kaufte sogar eher die (wesentlich schwächere) Redeemer Of Souls.
Erst im Frühling dieses Jahres habe ich sie dann mal günstig bestellt.
Und nun stelle ich euch kurz vor, warum sie 2014 alles andere geschlagen hat. Sogar die anderen guten Euro Metal Releases von Sonata Arctica und Gamma Ray.
"Sabre & Torch", der erste Song ist hochklassiger Melodic Speed Metal der alten Hamburger Schule. Und Tobias Sammet war und bleibt ein großartiger Sänger, der zudem feine Ohrwurm-Refrains kopieren kann - wenn er nicht alles mit Orchester zukleistert (wie zuletzt bei Avantasia) oder einen auf Hard Rock macht, wird daraus feiner Metal.
Die moderne Produktion klingt dabei nie zu künstlich (wieder ein Problem der letzten Avantasia), sondern lässt Raum für lebendige Gitarrenklänge - und das obwohl alles sehr "fett" klingt. Fast, wie wenn man Exodus oder Nevermore auflegt.
"Space Police" ist eine langsamere Nummer, in guter alter Edguy Tradition. Die Synth-Klänge erinnern an "King Of Fools", der Refrain hat "Tears Of A Mandrake" Niveau. Einer der besten Edguy-Songs überhaupt (seit fast 10 Jahren habe ich keinen Sammet Song mehr gehört, der mich auch emotional so angesprochen hat). Dass die Lyrics Unfug sind, versteht sich dabei ja von selbst. Was ich an der Band besonders schätze: Die Chöre funktionieren und machen richtig Freude. Das geht ja bei vielen Euro Metal Bands eher in die Hose.
Danach wirds wieder flotter, "Defenders Of The Crown" kommt mit stark effekt-belegten Gitarren und Synths um die Ecke, und trotzdem klingt das, was mich vom Sound etwas an 80er Pop erinnert, richtig mächtig rüber. Im Studio hat die Band diesmal das beste aus ihren Möglichkeiten gemacht. Der fette Mitsing-Chorus bringt all das mit, was man an Edguy so liebt (oder vielleicht hast). Eingängigkeit, Repetition, feine Rhythmik. Kein Wunder, dass ich auch Maiden liebe. In den besten Momenten erinnern mich die mehrstimmigen Gesänge hier übrigens an die grandiose erste Avantasia Scheibe, eine der wichtigsten Metal-Sozialisationen meiner Jugend.
Nun ist der "Love Tyger" dran. Wer nur Sword & Sorcery Lyrics oder gar Tiefgrund haben will, wird sowieso schon abgeschalten haben. Hier kommt feiner Hair Metal in der Tradition von Van Halen zu ihrer besten Zeit ("5150") oder frühen Bon Jovi. Das alles mit feinen Sammet-Chören und ein paar supereingängigen Melodien. Hier wurde all das richtig gemacht, was auf Tinnitus Sanctus daneben ging. Sie können also doch auch Hard Rock.
Die "Realms Of Baba Yaga" entführen zurück zum Speed Metal Hamburger Schule, Sammet kann durch eine sehr feine Gesangsleistung glänzen. Insgesamt ein typischer Edguy-Song auf hohem Niveau, der nicht ganz das Niveau der ersten vier Songs hält.
Der einzige Ausfall ist sicher das völlig unnötige "Rock Me Amadeus" Cover, das Satire sein mag, aber dem Original viel zu ähnlich ist. Dann lieber Falco.
Also lieber das mit Stratovarius-mäßigen Keyboards einsteigende "Do Me Like A Caveman", das atmosphärisch etwas ruhiger beginnt. Die Gitarristen durften sich da erst Mal etwas zurücklehnen, es klingt fast wie AOR. Der Refrain ist dann ein typischer Sammet, der mich eher an die besseren Momente der letzten Avantasia-Alben als an Edguy erinnert. Gut, auch wenn der Song etwas aus dem Rahmen fällt. Nach dem Falco-Cover geht die Tendenz jedenfalls klar nach oben.
Dann steigt die Gitarre schneidend ein, es wird Zeit für "Shadow Eaters". Wieder mal gibts flotteren Speed Metal. Klar, das hat nicht den Härtegrad von "Walls Of Jericho" oder alten Running Wild Sachen, aber dass Edguy das Gaspedal wieder entdeckt haben, das ist schon wunderbar! Der Song würde gut auf die Scheiben um die Jahrtausendwende passen, und das war wohl die stärkste Edguy-Phase, also gibts nix zu meckern - denn auch qualitativ wäre er nicht abgefallen.
"Alone In Myself" ist die obligatorische Ballade, die mich vom Klang an "Cool Runnings" erinnert, nur ohne Jamaica. Klingt komisch, oder? Ich weiß auch nicht wieso. Wer die Balladen der letzten Avantasia-Scheiben kennt, weiß was ihn erwartet (gut, Bob Catley fehlt). Sammet hat mal wieder eine schöne ruhige Nummer hinbekommen, die mit Metal zwar nix zu tun hat, aber zwischendrin einen schönen Moment bietet.
Zum Abschluss gibts mit "The Eternal Wayfairer" einen Longtrack (für Edguy-Verhältnisse... fast 9 Minuten).
Erinnerungen an großartige Songs wie "The Piper Never Dies" oder "Sacrifice" werden deutlich, die leicht "ägyptische" Melodieführung weckt aber trotzdem keine Erinnerung an den Pharaoh.
Wieder mal gibts viele Synthies, viele Chöre, aber es klingt nie überladen, wie man das manchmal von Sonata Arctica, Stratovarius, Blind Guardian - oder eben auch Avantasia - kennt. In seinen besten Momenten erinnert mich der Song an Queen, (90er) Savatage und Magnum, und das kann nur positiv gemeint sein. Dass Sammet dort inspiriert wurde, ist kein Geheimnis. Kein langer Track auf der letzten Avantasia konnte mich ansatzweise ähnlich fesseln, daher geht der Daumen klar nach oben.
Insgesamt ein Melodic Metal Album klassisch deutscher Schule, dass mich trotz eines klaren Ausfalls (des Coversongs) überwiegend begeistert hat - und dabei meine Leidenschaft für Edguy neu entfachte. Selbst für die neue Avantasia habe ich Hoffnung.
Ein Song von der Bonus-CD muss zudem erwähnt werden:
"England" ist ein großartiger, ruhiger Magnum-mäßiger Song, Sammet, Klavier, Synthies. Und Steve Harris. Lineker. Unfug, wie immer. Aber hier machts Spaß (Lyrics sind mir sonst ja recht egal). Allein dieser Song rechtfertigt aus meiner Sicht den Kauf der Version mit Bonus-Disc.
Ich hoffe, dass der nächste kein absoluter Edguy-Hater ist, sonst wünsche ich viel Spaß mit der Scheibe und bin gespannt auf die Besprechung.