For Albion! For Metal?

Schreibt euch die Finger wund über das große Thema "Metal" - über neue Platten, neue Bands, Konzerte etc.

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Re: For Albion! For Metal?

Beitragvon Acrylator » 6. Mai 2013, 12:55

caminantenocturno hat geschrieben:
The-Aftermath hat geschrieben:...
Aber wie kam es eurer Meinung dazu, dass gerade in England, Geburtsland des Heavy Metal, von BLACK SABBATH, JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN, dass Genre nach den Achtzigern so einen schweren Stand hatte, beziehungsweise sich keine herausragenden Bands mehr hervorgetan haben? Es gab ja nicht nur einen Rückgang an wirklich guten Bands, sondern scheinbar auch einen Rückgang was die Beliebtheit des Genres angeht. Dabei denkt man immer die Briten hätten das im Blut. War es der Aufstieg der amerikanischen Bands? Die Flucht von SAXON und MOTÖRHEAD nach Amerika? (Obwohl das ja schon eher eine Reaktion auf die geringe Beliebtheit auf der Insel war) Oder irre ich mich und es kamen viele gute Heavy Metal Alben aus England und ich habe sie lediglich verschlafen? ...


Aus meiner Sicht eine sehr interessante Frage.
Ein möglicher Grund könnte die traditionell schnelle Entwicklung musikalischer Strömungen im UK sein, zumindest was den Mainstream angeht. Als die NWOBHM in Kontinentaleuropa un den USA ihre volle Wirkung entfaltete, war das Thema im UK selbst doch praktisch schon durch. Die Abgrenzung zwischen "Glam" oder "Hair" Metal auf der einen Seite, Speed/Thrash auf der anderen hat aus meiner Sicht so deutlich nur in den USA stattgefunden. Außerdem waren einige NWOBHM-Bands auch schon recht nahe am Speed/Thrash-Sound 'dran (Jaguar, Savage, Raven, ...),

Venom nicht zu vergessen, waren ja (zumindest mit einzelnen Stücken) quasi DIE Thrash-Vorläufer - und in deine Liste würden Satan noch sehr gut passen, einige Stücke gehen da auch schon sehr in Richtung (melodischer) Thrash, viel mehr als bei frühen Raven.
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Re: For Albion! For Metal?

Beitragvon Vain Shangway » 6. Mai 2013, 18:43

Ich könnte mir auch vorstellen, dass die mächtige Plattenindustrie so ab 84/85 langsam einen UK Metal Burnout hatte.
Wurden in der Goldgräberstimmung der frühen NWOBHM 1001 Bands gesignt, so stellte sich bald raus, dass vieles sich doch nicht so gut verkauft.
Daher mußten ab 81-83 viele NwoBHM Bands auf Anraten der Plattenfirma komerzieller werden, ebenfalls ohne Erfolg.
Und dann war halt Schicht im Schacht.
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Re: For Albion! For Metal?

Beitragvon Goatstorm » 6. Mai 2013, 18:48

Ich denke auch, dass die englische Musikerszene den Sprung in die extremeren Genres nicht rechtzeitig geschafft hat. 1985 hat sich doch kein Mensch mehr für NWOBHM interessiert, sondern für Thrash. Auch Bands wie Running Wild, Helloween, etc. waren zu der Zeit wesentlich spannender als das, was aus England kam. Sowohl für die Fans, aber auch für die Plattenfirmen. Deswegen hat der traditionelle Metal in England wahrscheinlich a) die Medienresonanz verloren und b) den Kontakt zu den jugendlichen Undergroundszenen, die eher krassere oder innovativere Sachen hören wollten.
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Re: For Albion! For Metal?

Beitragvon Franko » 6. Mai 2013, 19:21

Ich denke das hängt auch ein bisschen vom Genre ab. Im Melodic Metal Sektor sind 'se eigentlich ganz gut aufgestellt, spontan fallen mir da des Siebis Lieblinge von DRAGONFORCE ein, dazu POWER QUEST, EDEN'S CURSE, DAMNATION ANGELS, SHADOW KEEP, INTENSE, ASCENSION oder dann noch Europas führende Progressive Metal THRESHOLD.
Das "Problem" liegt eher im Norden: Schweden hat in den letzten Jahren zum Metal-Land No.1 entwickelt und es richtigen sich eben alle Blicke gen Norden.
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Re: For Albion! For Metal?

Beitragvon Raf Blutaxt » 6. Mai 2013, 19:58

Wobei es ja weniger um den aktuellen Zustand ging, den ja auch The Aftermath schon als eher positiv eingeschätzt hat, sondern um die Zeit zwischen ca. 1985 und ca. 2000. Skandinavien hat im Metal insgesamt die 90er stark geprägt, über norwegischen Black Metal, schwedischen Death Metal und finnisches Geflöte bis hin zur aktuellen Welle an schwedischen Retrobands.
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Re: For Albion! For Metal?

Beitragvon Dr. Best » 6. Mai 2013, 20:03

Pavlos hat geschrieben:Ich denke einfach, dass Heavy Metal nach 1985 in England das war, was er in Deutschland eben nie so richrig war: Ein Trend, eine Modeerscheinung, the next big thing eben.
England war in Sachen Musik schon immer trendy, die britische Top 10 zählt(e) zu den wichtigsten der Welt. Da wurde einem eben aufdiktiert was cool ist, und von Ende der 70er bis Anfang der 80er war es eben der Metal. Ein kleiner Haufen wahrer Stahlkrieger blieb danach übrig (und wurde von den dann schon Pop hörenden Ex-Metallern ausgelacht), aber der Rest wanderte eben zum nächsten Hype weiter und dann zum nächsten und dann zum nächsten.
So hab ich das zumindest immer empfunden.

Ungefähr so sehe ich das auf breiter Ebene auch. Gerade, wenn man die musikalische Entwicklung der letzten 6 Jahrzehnte mit den britischen Charts abgleicht, fällt auf, dass die in der Zeit von 1960 bis mitte der 90er immer ganz vorne dabei waren. Sei es der Beat, der Rock, der Prog, der Hard Rock, Punk, der Metal, Wave, Dub, Gothic, teilweise Disko, Rave, Techno, Britpop, Neo-Psychedelia, Alternative, Slowcore/Shoegaze... Überall waren sie deutliche Trendsetter oder zumindest Mitinitiatoren - zumal sich auch vieles nebeneinander oder sogar auseinander entwickelt hat. Langlebigkeit, Treue und Nostalgie war jedenfalls noch nie wirklich etwas, das man den britischen Fans und Medien nachsagt, das ist eher was für Nordlichter, Griechen und (vielleicht sogar besonders) uns Deutsche.

Daneben wäre mir neu, dass es eine besonders langlebige, vitale "Metal-Szene" in England ab Ende der 80er überhaupt gegeben hat. Ich erinnere mich jedenfalls an die Zeit Anfang der 2000er, da haben sich viele der interviewten Bands sehr darüber beschwert, dass man sie daheim eigentlich überhaupt nicht will. Das mag mich aber auch täuschen.
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Re: For Albion! For Metal?

Beitragvon Vain Shangway » 6. Mai 2013, 21:31

Dr. Best hat geschrieben:
Pavlos hat geschrieben:Ich denke einfach, dass Heavy Metal nach 1985 in England das war, was er in Deutschland eben nie so richrig war: Ein Trend, eine Modeerscheinung, the next big thing eben.
England war in Sachen Musik schon immer trendy, die britische Top 10 zählt(e) zu den wichtigsten der Welt. Da wurde einem eben aufdiktiert was cool ist, und von Ende der 70er bis Anfang der 80er war es eben der Metal. Ein kleiner Haufen wahrer Stahlkrieger blieb danach übrig (und wurde von den dann schon Pop hörenden Ex-Metallern ausgelacht), aber der Rest wanderte eben zum nächsten Hype weiter und dann zum nächsten und dann zum nächsten.
So hab ich das zumindest immer empfunden.

Ungefähr so sehe ich das auf breiter Ebene auch. Gerade, wenn man die musikalische Entwicklung der letzten 6 Jahrzehnte mit den britischen Charts abgleicht, fällt auf, dass die in der Zeit von 1960 bis mitte der 90er immer ganz vorne dabei waren. Sei es der Beat, der Rock, der Prog, der Hard Rock, Punk, der Metal, Wave, Dub, Gothic, teilweise Disko, Rave, Techno, Britpop, Neo-Psychedelia, Alternative, Slowcore/Shoegaze... Überall waren sie deutliche Trendsetter oder zumindest Mitinitiatoren - zumal sich auch vieles nebeneinander oder sogar auseinander entwickelt hat. Langlebigkeit, Treue und Nostalgie war jedenfalls noch nie wirklich etwas, das man den britischen Fans und Medien nachsagt, das ist eher was für Nordlichter, Griechen und (vielleicht sogar besonders) uns Deutsche.

Daneben wäre mir neu, dass es eine besonders langlebige, vitale "Metal-Szene" in England ab Ende der 80er überhaupt gegeben hat. Ich erinnere mich jedenfalls an die Zeit Anfang der 2000er, da haben sich viele der interviewten Bands sehr darüber beschwert, dass man sie daheim eigentlich überhaupt nicht will. Das mag mich aber auch täuschen.


Das Donington war áuch 90ff huckevoll, Maiden hatten weiterhin Riesenerfolg, Top 1 Singles etc.pp.
Metal wurde also weiterhin auf der Insel gehört.

Nur neue UK Metal Bands hatten es schwer.
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Re: For Albion! For Metal?

Beitragvon Fire Down Under » 6. Mai 2013, 22:07

Oliver/Keep-It-True hat geschrieben:Naja, man kann ja kaum abstreiten, dass PL mit "Gothic" die Blaupause für die Gothic Metal Welle abgeliefert haben. Speziell der Titelsong, danach kamen auf einmal Theatre Of Tragedy und Cremetorte aus den Löchern gekrochen.

Um den Punkt nochmal aufzugreifen (war heut früh etwas in Eile): es sei unbestritten, dass PL einen großen Einfluss auf die Gothic Metal Szene ausübten, trotzdem würde mir nicht mal im Traum einfallen, PL (zumindest die frühen) als "Gothic Metal" zu bezeichnen. Ich find das immer wieder lustig, wie schnell etwas als "Gothic" bezeichnet wird, nur weil da ab und an mal ne Frau dazwischen trällert. Das gabs bei CELTIC FROST vorher ja auch schon, und da käme auch niemand auf die Idee, CF als "Gothic" zu bezeichnen auch wenn - Vorsicht! - Einflüsse aus dem Gothic Genre mit dabei sind.
PLs Debüt "Lost Paradise" ist klar vom Doom Metal der Marke BLACK SABBATH oder auch TROUBLE beeinflusst, der Zweitling "Gothic" dagegen ist - das Titelstück mal ausgenommen - ziemlich krasser Doom/Death Metal mit starker CF-Schlagseite, das Album klingt für mich wie eine (von vielen möglichen) Weiterführung von "Into The Pandemonium".
Die drei Werke danach waren zwar weniger hart, aber "Gothic Metal" ist das auch keiner für mich.

Was nach der "Draconian Times" kam kenne ich kaum, dazu kann ich dann nix mehr sagen.
:ahasoso:

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Re: For Albion! For Metal?

Beitragvon Hades » 6. Mai 2013, 23:16

Goatstorm hat geschrieben:Ich denke auch, dass die englische Musikerszene den Sprung in die extremeren Genres nicht rechtzeitig geschafft hat. 1985 hat sich doch kein Mensch mehr für NWOBHM interessiert, sondern für Thrash. Auch Bands wie Running Wild, Helloween, etc. waren zu der Zeit wesentlich spannender als das, was aus England kam. Sowohl für die Fans, aber auch für die Plattenfirmen. Deswegen hat der traditionelle Metal in England wahrscheinlich a) die Medienresonanz verloren und b) den Kontakt zu den jugendlichen Undergroundszenen, die eher krassere oder innovativere Sachen hören wollten.


Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Ich stand zwar auf Maiden und Saxon, aber von der NWOBHM hatte ich keinen Schimmer, bzw. wusste ich auch nicht, dass diese Bands irgendeiner Bewegung angehörten. Und als mich dann die Thrash/Speed/Powerexplosion aus den Staaten mit voller Wucht (=Kill 'em All) erwischt hat, hörten sich die ollen Britenbands schon alleine in den Magazinreviews so altbacken an, dass man schon gar keine Lust hatte, sich damit auseinanderzusetzen.

Ich habe dadurch tatsächlich viele NWOBHM-Classics (Tygers, Satan, Jaguar, Savage usw.) erst in den letzten ca. 10 Jahren sozusagen auf dem zweiten Bildungsweg im Nachhinein zu schätzen gelernt.
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Re: For Albion! For Metal?

Beitragvon Acrylator » 7. Mai 2013, 00:45

Fire Down Under hat geschrieben:
Oliver/Keep-It-True hat geschrieben:Naja, man kann ja kaum abstreiten, dass PL mit "Gothic" die Blaupause für die Gothic Metal Welle abgeliefert haben. Speziell der Titelsong, danach kamen auf einmal Theatre Of Tragedy und Cremetorte aus den Löchern gekrochen.

Um den Punkt nochmal aufzugreifen (war heut früh etwas in Eile): es sei unbestritten, dass PL einen großen Einfluss auf die Gothic Metal Szene ausübten, trotzdem würde mir nicht mal im Traum einfallen, PL (zumindest die frühen) als "Gothic Metal" zu bezeichnen. Ich find das immer wieder lustig, wie schnell etwas als "Gothic" bezeichnet wird, nur weil da ab und an mal ne Frau dazwischen trällert. Das gabs bei CELTIC FROST vorher ja auch schon, und da käme auch niemand auf die Idee, CF als "Gothic" zu bezeichnen auch wenn - Vorsicht! - Einflüsse aus dem Gothic Genre mit dabei sind.
PLs Debüt "Lost Paradise" ist klar vom Doom Metal der Marke BLACK SABBATH oder auch TROUBLE beeinflusst, der Zweitling "Gothic" dagegen ist - das Titelstück mal ausgenommen - ziemlich krasser Doom/Death Metal mit starker CF-Schlagseite, das Album klingt für mich wie eine (von vielen möglichen) Weiterführung von "Into The Pandemonium".
Die drei Werke danach waren zwar weniger hart, aber "Gothic Metal" ist das auch keiner für mich.

Was nach der "Draconian Times" kam kenne ich kaum, dazu kann ich dann nix mehr sagen.
Also auf "Into The Pandemonium" von CF würde ich einiges definitiv als Gothic Metal bezeichnen, vieles darauf ist doch quasi schon die Urform oder ein Vorläufer dessen was man später als Gothic Metal bezeichnet hat (war natürlich trotzdem viel besser als der Gothic Metal der 90er). Und Paradise Lost würde ich spätestens ab dem dritten Album ganz eindeutig als Gothic Metal bezeichnen (wurde Mitte der 90er auch durchaus schon so bezeichnet), das hatte dann doch weder mit Death, noch mit Doom Metal besonders viel zu tun.
Und nur weil sich der Gothic Metal im Laufe der 90er und im neuen Jahrtausend in eine immer noch seichtere und kitschigere Richtung entwickelt hat, heißt das ja nicht, dass man die ersten Bands dieser Richtung nicht mehr so nennen "darf". Type O Negative bezeichne ich ebenfalls ab "Bloody Kisses" als Gothic Metal (davor war's eher ein Mix aus Hardcore, Doom und Thrash Metal, ähnlich wie Carnivore nur mit anderer Gewichtung).
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Re: For Albion! For Metal?

Beitragvon Siebi » 7. Mai 2013, 09:52

Paradise Lost sind in meiner künstlerisch anspruchslosen Welt bis auf einige Alben ab "Host" eine geile Truppe, den Sound kennt man sofort raus. Die "Tragic Idol" habe ich erst kürzlich hören dürfen und bin sehr begeistert.

Seit einiger Zeit heißt es warten, was uns Solstice kredenzen werden. Bin sehr gespannt, da mir eigentlich alle Lineups und Alben gefallen. Bis dahin höre ich die neue My Dying Bride, gutes Album. *auf "Das war so klar!"-Goatstorm-Posting wart'* :cool2:
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Re: For Albion! For Metal?

Beitragvon Hugin » 7. Mai 2013, 12:35

Auch wenn es ein bisschen am Thema vorbei geht, kurz zu PARADISE LOST, wo ich im Wesentlichen dem Siebi zustimmen möchte. Die waren bis "Draconian Times" eine starke, eigenständige und innovative Band, die dann ein bisschen zu sehr DEPECHE MODE verfallen ist, aber in den letzten Jahren definitiv wieder die Kurve gekriegt hat. Ob das jetzt in der Frühphase Doom/Death und Später Rüschenhemdkitsch war, oder von Anfang bis Ende Gothic Metal in verschiedenen Ausprägungen, das ist mir ziemlich wurscht. Wenn ich die "Lost Paradise" höre, dann ist die so weit nicht von einer "Soulside Journey" weg, und die folgenden drei Alben sind aus meiner Sicht ziemlich genial und intensiv. "Draconian Times" ist dann für PL in etwa das, was das schwarze Album für METALLICA ist. Kommerziell wie die Sau, aber durchaus auch mit feinen Songs bestückt. Man mag von dem, was die Band ausgelöst hat, halten was man will, und man mag gerne auch bestreiten, dass die Band Doom Metal spielt, aber sie ist ein echtes Original und hat aus meiner Sicht etliche echt große Hymnen verbrochen. Außerdem ist Greg Macintoshs Leadgitarrenstil schon auch etwas ganz Feines und Besonderes. Und dabei bin ich jetzt nicht einmal der richtig große PL-Fan.
:tong2:



Jetzt aber mein Beitrag zur Lösung der Fragen um die Briten:

Diejenigen, welche die Trendgeschichte ansprechen, dürften aus meiner Sicht eine ziemlich heiße Spur verfolgen. Die Briten sind gerade im Bereich der Kunst immer gerne Trendsetter gewesen, und Trends wohnt das hastige und kurzlebige inne. Mit der NWoBHM waren die Briten fasziniert und stolz, dass aus ihrem Land eine musikalische Revolution kam, das wurde abgefeiert, von der Industrie gepusht, Bands schossen wie die Pilze aus dem Boden, und nach der Pilzernte war erst einmal ziemlicher Kahlschlag übrig. Ich denke, dass ein großer Prozentsatz der heute als Kult gehandelten NWoBHM-Bands um 1980 herum überhaupt keine in der Wolle gefärbten Metaller waren. Das war anders, als wenn heute drei "Jungs" aus dem SMB, die seit 20 oder 30 Jahren Metal hören, eine Band gründen, um dem wahren Stahl zu dienen. Da waren jede Menge blutjunge Upstarts dabei, die oft zwar wild und hungrig waren, aber im Zweifel weniger auf Metal als auf den Erfolg mit der Musik. Man sah, dass sich EMI plötzlich Gleichaltrige nach einem Demo aufs Label holt, und da wollte man dazu gehören. Metal war gefragt, also hat man Metal gespielt, oder einfach auch seinen Altherren-Hardrock mit einem Metal-Artwork, einem schneidigen Logo und ein paar Nieten am Gürten verziert, um auch in die Zielgruppe zu rutschen. Die NWoBHM war bei allen tollen Perlen, die sie hervor gebracht hat, ab einem gewissen Punkt auch ein ganz gewaltiger Hype, dessen rasches Abebben sich letztlich auch darin manifestiert, dass unzählige Bands es nur auf ein Demo oder eine 7"EP brachten und dann wieder vom Erdboden verschwunden waren. Schaut im MacMillan nach!

Wie auch schon gesagt wurde: Beim Abebben des Trends blieben diejenigen, die es "geschafft" haben, und dann diejenigen, die aus Leidenschaft für ihre Musik bereit waren, tief in den Untergrund zurück zu gehen. Der große Rest wurde Fabrikarbeiter, Buchhalter, Lehrer, Polizist und Familienvater, und die Gitarre wurde erst wieder abgestaubt, als nach der Jahrtausendwende plötzlich obskure Anrufe aus Deutschland kamen.

Beim Bandnachwuchs gab es ein riesiges Loch, weil die Aussicht auf den Durchbruch als Musiker mit traditionellem Metal aus England ab Mitte der 80er natürlich gnadenlos einbrach, und weil die nächsten Evolutionsstufen der Metalgeschichte eben erst einmal (bis zum Aufkommen des Gothic Metal) nicht vornehmlich aus Britannien kamen, sich damit die Labels auch nicht allzu sehr für Thrasher, Glamrocker oder Death Metaller aus dem Königreich interessierten.

Warum lief es andernorts besser?

Skandinavien bietet mit staatlicher Förderung sehr viele Strukturen, die es jungen Musikern ermöglichen, sich auf ihre Musik zu konzentrieren ohne dabei zu sehr vom rein marktwirtschaftlich begründeten Erfolg abhängig zu sein. Deswegen ist dort die Banddichte gemessen an der Bevölkerungszahl extrem hoch, und der Musiker kann auch mehr auf seine Vorlieben schauen, als dass er immer schauen müsste, was sich am besten verkauft, wenn er bei der Musik bleiben will. Außerdem war die skandinavische Szene (von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen) zunächst mal eher spät dran und es gab sehr viele Vorbilder auf die man sich stützen und auf die man aufbauen konnte. Gerade Schweden hat ja quasi auf jedes Metalgenre seine eigenen Antworten gefunden. Man war sich dabei nicht zu fein, Briten, Amis und Teutonen als Referenzen aufzugreifen, dann aber doch mit der Zeit wieder etwas ganz eigenes daraus zu machen.

In den USA dürfte die schiere Größe des Landes, die Masse der Menschen, die extremeren Strukturen im Sozialgefüge und in der Medienlandschaft, aber auch der interkulturelle Aspekt viel bewegt und viele neue Strömungen angefacht haben. Da in den USA Menschen aus aller Herren Länder zusammen kommen, dürfte auch der Anspruch, nur "eigene" Trends zu reiten, nicht so groß gewesen sein. Die Metal-Initialzündung hatte man im Zweifel eh aus England, und dann begann ein wilder Crossover der Einflüsse, der bis heute nicht halt gemacht hat. Der traditionelle Metal verschwand in den USA auch irgendwann aus dem medialen Mainstream, aber es hat de facto nie wirklich am Bandnachschub gefehlt. Auch in den bösen Neunzigern nicht.

Das Deutschland-Phänomen ist wieder so eine Sache, das man als "Betroffener" nur schwer neutral bewerten kann, ohne entweder pathetisch oder pathologisch zu werden. Wobei uns auch viele amerikanische oder britische Bands bestätigen werden, dass die "Nibelungentreue" zu den Bands und Stilen, die man einmal als Favoriten auserkoren hat, nur in wenigen Gegenden so extrem ausgeprägt ist, wie bei uns. Fragt mal Lemmy oder Biff, wo sie immer gern gesehen waren, als in der Heimat keiner mehr nach ihnen krähte. Und wo wurde die MILITIA-7" für vierstellige Beträge ersteigert? Diese Mentalität, die sowohl viele Fans als auch viele Musiker haben, sorgt natürlich dafür, dass es für Musiker einen Anreiz gibt, immer weiter zu machen, auch wenn das große Geld nicht (mehr) fließen mag. Deutschland ist in vielerlei Hinsicht das Land der beharrlichen Metal-Arbeiter, die einfach nicht nachlassen wollen, auch wenn sie jahrelang nur vor wenigen Nasen spielen. Das haben so viele große deutsche Bands mitgemacht, und doch sind fast alle ewig geblieben und die meisten immer noch da (ich muss keine Beispiele nennen, oder?). Außerdem war in Deutschland Metal niemals der mediale Hype, der er in UK und USA war. Von einzelnen Bands und kurzen Phasen ausgenommen, war das Ganze doch meistens eher eine (zeitenweise durchaus große und wirtschaftlich relevante) Underground-Geschichte. Das sorgt dafür, dass es zwar einerseits keine Band-Fluten gibt, andererseits aber auch nachhaltiger funktioniert. Kurz gesagt: Ich habe den Eindruck, dass es in Deutschland prozentual relativ viele Musiker gibt, die mit ihrer Musik weniger nach dem großen Durchbruch streben, sondern vielmehr danach, aktiver Teil einer Szene zu sein, der sie als Fan angehören. Und da macht man dann halt eher etwas, wonach kommerziell gerade kein Hahn kräht, als wenn man den Anspruch hat das Business zu knacken, Trends zu setzen oder ein Star zu werden. Vor diesem Hintergrund stimmt es vielleicht, was viele Leute - oft eher abwertend - über den deutschen Metal sagen: Er ist sehr oft ein wenig konservativ und bieder. Aber ich glaube ganz fest, dass diese Einstellung vieler Bands und Musiker ganz viel dazu beigetragen hat, dass Deutschland immer noch eines der Metal-Länder schlechthin ist, und dass sehr viele entscheidende Impulse für das breit angelegte (Untergrund) Revival traditioneller Metalklänge aus unseren Gauen stammten.


Öhmmm... ja... entschuldigt die vielen Worte. Hat sich so ergeben.
-.-
"It takes a thousand fans from any other band to make one Manowarrior!"
- Sir Dr. Joey DeMaio, 2012

Primitivsoundkunst: http://www.morbid-alcoholica.com/

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Re: For Albion! For Metal?

Beitragvon Nightrider » 8. Mai 2013, 00:11

In diesem Falle wurden die vielen Worte aber durchaus sinnvoll genutzt. Eine sehr gute Analyse vom Hugin, die ich sehr gut nachvollziehen kann!
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