Doom In Bloom

Re: Doom In Bloom

Beitragvon Dr. Best » 8. April 2018, 22:27

Zurück, zufrieden, zerzauselt und zerstört. Ein kruder Tag war das jetzt, bei dem das Fazit wohl sowas wie "ein Doomglück kommt selten allein, aber nach dem Regen wird die Sonne scheinen" lautet.

Als FROM YUGGOTH mit leichter Verspätung den Reigen eröffnen sind gerade mal 3 von 5 Bands anwesend: während Team Italien wacker gegen Magenprobleme, Stau und übergenaue Grenzkontrollen antritt liefert sich Team Finnland einen epischen Kampf mit dem Schicksal selbst. Denn nach ihrer Landung in Basel stellt sich beim Durchzählen heraus, dass die Band zwar vollständig ist, aber Lufthansa die Wegbiere im Flieger nur zur Ablenkung serviert hat, um den eigens mitgebrachten Bass zu verschlampen. Bis die entsprechenden Formulare auf Seek & Regain ausgefüllt sind, hat sich natürlich auch noch der FlixBus ohne unsere Finnen heimlich weggestohlen. Im weiteren Verlauf des Abends packen Messa dann auch noch versehentlich den finnischen Rucksack mit den Gitarrenpedalen ein, so dass spätestens Nachts um 2 Uhr alle Verwirrung perfekt ist. Wenn's mal läuft, dann halt richtig.

Zurück zur Musik: In Kurzform etwa "Licht aus, FROM YUGGOTH an, Location zerstört, Mission ausgeführt." Irgendwo zwischen Electric Wizard, Sleep und Yob doomen, malmen, dröhnen, schleppen sich die Dresdner stoner-doomend durch ihr Set, zelebrieren die zermürbende Repetition und sind als erste bestrebt, den Non-Innovations-Preis abzuräumen. Heißere, gepresste Schreie rufen uns durch den kosmischen Lärm-Nebel an, brazzelnd-bruzzelnde Fuzzorgien wogen hin und her und gerade, als es anfing so richtig schmerzhaft anstrengend zu werden ist die Zeit auch schon rum.
Handwerker-Typ: Bauwerksmechaniker für Abbruch und Betontrenntechnik
Firmenmotto: Dreckig, roh und laut - bei uns wird rumgesaut!

Wiederaufbau aus Ruinen betreiben danach THE BEES MADE HONEY IN THE VEIN TREE. Die aus dem entfernten Esslingen angereiste Band lullt uns zu Beginn mit einem athmosphärisch-schwebenden Sound ein, ein bisschen shoegazeliger 90's-Postrock mit honiggelbem Wohlfühlklang, der sich aber graduell steigert und an Masse gewinnt, bis man schließlich trotz psychedelischer Versatzstücke ziemlich erdig und heavy doom-groovt. Das DIB-Kassenteam groovt mit, ist aber nicht gänzlich überzeugt.
Handwerker-Typ: Fliegenfallenleim-Produzent
Firmenmotto: Schaffe, schaffe, Honig mache!

Die Sturmhexe hat es schon angedeutet: ein rauher Wind hat den nordischen Fischerkutter B.S.T. am Vorabend eiskalt erwischt und so kämpft, ächzt und stöhnt sich der Kutter durch den Auftritt. Instrumental ist das alles solide, die Gitarren zurren unter Deck die extrem schwere, melodiebeladene, leichtsludgende Ladung fest und halten die alte Lady auf dem traditionellen Kurs. Doch alleine dem Gesang geht heute leider ab und an die Puste aus, so dass sich die Segel leider nicht ganz so prall füllen, wie zuletzt gewohnt. Dennoch gehen die Jungs ehrlich, hart arbeitend und unablässig auf Doom-Walfang und es schmerzt sehr, im Vorraum mit der Kasse vertäut zu sein.
Handwerker-Typ früher: Hafenarbeiter; heute: Fisherman's-Friend-Model
Firmenmotto: Sind wir zu zäh bist du zu schwach!

Nachdem der Sturm abgeklungen war konnte nirgends der Stöpsel gefunden werden, und das Wasser blieb weiterhin beherrschendes Element auf der Bühne. Im Gegensatz zum Fisch von Verleihnix ist das Album von MESSA tatsächlich fangfrisch und zappelte sogar noch, weshalb man auf der Release-Party das Publikum unvorbereitet ins Wasser warf und das gesamte Album in einem Rutsch durchzockte. Und puh, was Wasser so kann?! Hier noch die ruhige See, tief, weit, dunkel und verzaubernd wiegten sich Wogen langsam zu rollenden, stampfenden Wellen auf, brachen über uns nieder und gaben sich im nächsten Moment als einfache Stromschnelle aus. Ungemein spannend und ziemlich eigenständig, aber auch reichlich komplex und Songstruktur und Dynamik maximal ausnutzend war das ein echter Brocken zwischen Bohren-Boredom (Anfang von 'She Knows'!), Prog, 70er-Versatz und Doom-Repetition. Und was eine Band! Instrumental, gesanglich, technisch - das war Olympioniken-Niveau, danach wollten diverse Musiker aus dem Publikum mal wieder üben gehen. Hut ab! Das Publikum sah es wohl auch so, der Saal war brechend voll, alle Blicke gebannt auf die Bühne, in den ruhigen Momenten war es andächtig still, und am Ende der regulären Zeit wurde man noch zu einer Zugabe genötigt.
Handwerker-Typ: Tiefsee-Wasserrutschen-Klempnerin
Firmenmotto: Gas, Wasser, Messa?

Nach dem Feinmechanik-Angelkurs wurde das Aquarium geleert und das halbe Publikum grundlos mit ausgespült. Denn: CARDINAL'S FOLLY waren unfassbar gut. Hatten sich im Vorfeld ein paar der nicht so sehr in traditionstruen Gefilden bewanderten Gäste etwas skeptisch bis zögerlich gezeigt, fraß den Finnen das Publikum schnell aus der Hand. Zischen ernst und humorvoll pendelnd wurde eine Stunde lang gerockt, gefinnendoomd, gefaustreckt und die Götter von Metal und Satan angerufen, dass es eine Pracht war. Stilechte Ansagen ("Tom, where is our beer? this is a serious dealbreaker!"), Schlagzeugsolo auf spontanen Publikumszuruf, umgehängte Holzscheiben mit dem Bandlogo - auch das Auftreten ließ hier keine Wünsche übrig. Die deranged pagan sons dörrten jeden noch so kunstvoll drapierten Wassertropfen von Messa mit staubtrockenen Riffs aus, erstickten jeden gerade eben aufgekommenen Anflug von Progressivität im Doom und führten uns erhobenen Hauptes zurück in die Chromagnon-Zeiten des Reverend-Bizarre-Dooms. Eventuell mit etwas mehr Spass. Wer die nicht gesehen hat, der hat echt was verpasst :yeah:
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Joa, so war's in aller Kürze.
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Re: Doom In Bloom

Beitragvon warstarter » 10. April 2018, 19:16

Dank für den schönen Bericht, wäre schon gern da gewesen. Hatte die From Yuggoth Boys eigentlich Tonträger dabei?
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Re: Doom In Bloom

Beitragvon Dr. Best » 10. April 2018, 19:51

warstarter hat geschrieben:Dank für den schönen Bericht, wäre schon gern da gewesen. Hatte die From Yuggoth Boys eigentlich Tonträger dabei?

Nee, ist angeblich auch nicht so recht in Planung. Schade eigentlich!
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Re: Doom In Bloom

Beitragvon Killmister » 10. April 2018, 23:42

warstarter hat geschrieben:Dank für den schönen Bericht, wäre schon gern da gewesen.

Da schließe ich mich gerne an!!! In letzter Zeit gehen irgendwie alle guten Doomkonzerte an mir vorbei.
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Re: Doom In Bloom

Beitragvon warstarter » 12. April 2018, 19:37

Dr. Best hat geschrieben:
warstarter hat geschrieben:Dank für den schönen Bericht, wäre schon gern da gewesen. Hatte die From Yuggoth Boys eigentlich Tonträger dabei?

Nee, ist angeblich auch nicht so recht in Planung. Schade eigentlich!

Ja, wirklich schade, ausser den zwei bandcamp Titeln, die nur digital, und einem auf einem Dresden Sampler veröffentlichten Song ist da wohl nichts erschienen. Hatte gehofft, das die zwei ersteren Lieder wenigstens in einer von mir aus CD Kleinauflage zum Festival zu erwerben wäre.
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