Ok, der Thread wir sicherlich keinen heavy traffic bzw. Dutzende von Antworten auslösen, aber wir haben hier immer noch relativ viele Zugriffe bzw. Feedback von auĂerhalb des Boards (und vielleicht ist hier ja auch der ein oder andere Interresierte dabei). Ich hab jedenfalls massivst Bock drauf und will aufzeigen, dass der Prog ab Ende der 70er gar nicht mal soooooo tot war, wie er oftmals dargestellt wird. Er roch vielleicht streng, das stimmt wohl, aber hier und da zuckte er weiter und weigerte sich einfach ins helle Licht zu laufen. Ok, die Hochphase war natĂŒrlich schon lĂ€ngst vorbei und andere Stile bestiegen den Thron, aber hier und da wurden auch weiterhin progressive Ausrufezeichen gesetzt, sei es von den great old ones, die weiterhin Scheiben veröffentlichten (Rush, Marillion, King Crimson, Genesis, Yes, Eloy, um jetzt nur mal die ganz groĂen Namen zu nennen), oder aber auch von weniger bekannten Truppen, die praktisch auf der ganzen Welt verteilt weiterhin ihre vetrĂ€umte Musik vor sich hin zelebrierten und, scheinbar von der AuĂenwelt komplett ignoriert, weiterhin ganz dolle an die Kraft ihrer Schöpfung und ihre Wurzeln glaubten. Es folgt eine kleine (chronologische) Auflistung vergessener Juwelen aus dem Zeitraum 1980 bis 1985, die nur darauf warten von Prog-affinen Musikfans entdeckt zu werden. Pro Scheibe gibt es einen Song per Link zum Reinhören.
Asia Minor - Between Flesh And Divine (Frankreich, 1980)
Los geht's mit einer Truppe aus dem Pariser Raum, die zur HĂ€lfte aus tĂŒrkischen Emigranten bestand. Demenstprechend finden sich viele orientalisch angehauchte Passagen auf der Scheibe, die prima zum emotionalen, instrumental ganz oft an frĂŒhe Camel erinnernden Stoff der Band passt. Ja, sogar die Flöte wird oftmals gekonnt integriert, wie man gleich im wunderschönen Opener Nightwind hören kann. Empfehlenswert sind auch der VorgĂ€nger Crossing The Line (1979), sowie das erst letztes Jahr erschienene Points Of Libration, aber ihren kreativen Höhepunkt hatten die Jungs definitiv auf dem hier vorgestellten Meisterwerk des melancholisch angehauchten Symphonic Progs.
Exodus - The Most Beautiful Day (Polen, 1980)
Bombastischer Symphonic Prog, der gerne das erzĂ€hlerische Element alter Genesis aufnimmt und gekonnt wiedergibt, aber auch viele harte Passagen am Start hat, die gefĂŒhlt schon den bald daruf schon aufkommenden NeoProg vorwegnehmen. Nachzuhören u.a. auf dem grandiosen 20minĂŒtigen Titeltrack Ten Najpiekniejszy Dzien - Suita, der die Longtrack-Disziplin begeisternd meistert. Saga oder die ungarischen Omega kommen mir aks Vergleich auch in den Sinn. Ach ja, trotz des englischen Albumtitels wird in der Landessprache gesungen, das vielleicht noch als wichtige Info, da sich der ein oder andere Hörer damit schwertun könnte.
Kerrs Pink - Kerrs Pink (Norwegen, 1980)
Auch hier waren Camel die groĂen Vorbilder. Die Musik lebt hauptsĂ€chlich von fragilen Gitarrenpassagen, intensiven Mellotronteppichen und den zurĂŒckhaltenden (aber irgendwie perfekt passenden) Vocals, die gerne auch mal mehrstimmig vorgetragen werden. Gesungen wird ĂŒbrigens auf Norwegisch, und zusammen mit den immer wieder eingebauten nordischen Folklore-Parts ergibt das eine wunderbare, fĂŒr die damalige Zeit wohl einzigartige Mischung. Camel auf Norwegisch, so könnte man die Scheibe kurz zusammenfassen, nachzuhören auf dem ausgezeichneten Hvis Jeg Er Der Neste Aar. Nach dem hier vorgestellten DebĂŒt kam noch ein weiteres (ebenso starkes) Album, gefolgt von einer lange Pause und dem Wiederbeleben der Band Mitte der 90er. Seitdem gibt es alle paar Jahre eine neue Studioscheibe, die NĂ€chste steht schon in den Startlöchern.
Agamemnon - Part I & II (Schweiz, 1981)
Wird oft als schweizer Release gefĂŒhrt, und wurde auch dort (St. Gallen) aufgenommen und in Eigenreige veröffentlicht, involviert waren jedoch deutsche Musiker. Dementsprechend krautig klingt der elegisch vorgetragene Psych/Folk Rock der Truppe dann auch, think Minotaurus, Epidaurus und in den folkigen Abschnitten Carol Of Harvest. Es macht SpaĂ dem Zusammenspiel zwischen Saiten und Tasten in den vielen ausufernden Instrumentalpassagen beizuwohnen, gerade Part I hat viele tolle Momente. Inhaltlich geht es, wer hĂ€tte das bei dem Titel gedacht, um das Leben Agamemnons, dem König von Mykene und dem AnfĂŒhrer der Griechen im Trojanischen Krieg. Gedacht war, den Stoff in vier auf zwei seperaten Platten verteilten musikalischen Teilen (Geburt, König, Troja, Tod) zu prĂ€sentieren. Leider ging man nach der ersten Scheibe getrennte Wege und so kamen nur die beiden ersten Kapitel zu Veröfentlichungsehren, die Teile II und IV gab es damals nur auf Konzerten zu hören.
Modry Efekt - 33 (Tschechien, 1981)
Modry Efekt (auch bekannt als M.Efekt oder Blue Effect) waren in ihrer Heimat die fĂŒhrende Progressive Rock Band, vom Status her vergleichbar mit Omega in Ungarn oder SBB in Polen. Zwischen 1970 und 1981 veröffentlichte das Trio acht wunderbare Platten und war dabei von Heavy Rock ĂŒber Jazz bis hin zu eben Prog Rock in vielen Stilen beheimatet. Die zwei Scheiben davor empfinde ich zwar als noch stĂ€rker, aber auch "33" hat ausreichend ĂŒberzeugende Momente (wie z.B. der Opener TĆiatĆicet - ja, gesungen wird auch hier in der Muttersprache) und zeigt, dass der Status der Jungs nicht von ungefĂ€hr kam. FĂ€hige Musiker, klassisch angehaucht, oft komlex, aber immer wieder auch hookige Momente. 2009 erschien ein Boxset mit neun CDs (acht Studioalben plus Bonus CD), die stundenlange Erkundungsfahrten hinter dem eisernen Vorhang ermöglichen. Sauspannend und deshalb: höchste Empfehlungsstufe!!
Osiris - Osiris (Bahrain, 1981)
Prog Rock vom Persischen Golf aus dem Jahre 1981, geht es noch exotischer? Dabei hat die Band diesen "Bonus" nicht nötig, wird hier doch auf qualitativer Augenhöhe mit der westlichen Welt musiziert. Im Gegenteil, die oftmals eingebauten Elemente der heimatlichen Musik verschmelzen prima mit denen der eigenen musikalischen EinflĂŒsse aus dem UK (Camel, Yes, Genesis), und so wechseln sich orientalische Gitarrenleads mit langgezogenen Keyboard-Spielereien ab und erschaffen somit etwas völlig eigenstĂ€ndiges - man lausche nur mal dem ZwölfminĂŒter Sailor On The Seas Of Fate. Gesungen wird hier ĂŒbrigens auf Englisch. Ganz tolles Album (das ich durch unseren Killmister kennengelernt habe, DANKE nochmal dafĂŒr).