Boris the Enforcer hat geschrieben:Scheinbar kommt man also doch nicht an einer Beschreibung vorbei, was mit Prog in diesem Kontext gemeint ist.
Klar ist, dass Prog in seiner Anfangszeit tatsächlich im Wortsinn progressiv, also dem Fortschreiten, Entwickeln neuer und neuartiger Musik ausgerichtet war. Wenn man nun aber die damals daraus hervorgegangene Stilistik jahrzehnte Später wieder aufgreift, dann ist dan im eigentlichen Wortsinn natürlich nicht mehr progressiv, sondern regressiv, konservativ.
Trotzdem halte ich es für legitim, die, durch die damaligen Bemühungen, entstandenen Sounds weiter aufgreifen, immitieren oder verfeinern zu dürfen. Das ist in anderen Genres auch nicht anders. Wenn eine aktuelle Thrash, Doom oder eine Neo NWOBHM Band so klingt und aussieht, als sei sie gerade erst den 80ern entsprungen, wird applaudiert und dies als authentisch und ursprünglich empfunden. Dem Prog wird dies, aufgrund seines im Namen mitgegebenen Anspruchs neue Wege beschreiten zu müssen nicht zugestanden. Aber, so meine ich, kann dieser konservative, also an überlieferten Strukturen festhaltende Prog, parallel zum Prog mit andauernt fortschreitender Entwicklung, als eigener Musikstil bestehen.
Das der Prog über die Jahrzehnte trotzdem auch weiterhin avantgardistisch geblieben ist, kreativ, gewillt Neues zu schaffen ist wichtig und spanndend, darf aber hier nicht in einen Topf geworfen werden.
Flossensauger hat da mit Bent Knee, Motorpsycho Anekdoten usw. tolle wichtige Bands genannt. Auch Tool und Opeth oder Ulver, Cynic, Sleepytime Gorilla Museum, Indukti, Ved Buens Ende sehe ich in der "Prog im eigentlichen Sinn" Reihe in Abgrenzung zu zum Beispiel den genannten Psychoprism.
Ich halte es aber für falsch beide Musikstile gegeneinander aufzuwiegen.
Damit hast du natürlich Recht. An Progressive Rock/Metal wird aufgrund der Bezeichnung oft ein anderer Maßstab angelegt, als an alle anderen Subgenres (bei denen es ja von der Mehrheit der Fans sogar erwünscht ist, dass Bekanntes aufgewärmt oder zumindest zu großen Teilen aufgegriffen wird).
Und wenn man rein nach dem Wortsinne geht, sind auch nicht alle jungen Bands aus dem traditionellen Heavy Metal nach heutigen Maßstäben "heavy" und bei Doom klingt auch nicht immer alles nach Untergang. Und natürlich ist es normal, dass innerhab eines (eng begrenzten) Genres immer vielen Bands eine eigene stilistische Identität fehlt.
Würde auch gar nicht sagen, dass Fans von progressiver Musik weniger werden. Aber Fans des ursprünglichen Progressive Metal (der ja, wie Ulle schon geschrieben hat, eh nie viele Fans hatte), sind natürlich überschaubar (und die Zeiten, in denen Progressive Rock große Hallen füllen konnte, sind ja auch seit fast 40 Jahren vorbei, außer vielleicht für Yes).
Hab allerdings schon das Gefühl, dass zumindest eine Band wie Fates Warning gerade sowas wie ihren zweiten Frühling erlebt, vom kommerziellen Erfolg Dream Theaters ganz zu schweigen. Sachen wie Psychotic Waltz, Mekong Delta, Watchtower etc. waren aber natürlich für die breite Masse immer schon zu schräg/anstrengend - und dass nicht jeder Queensryche- und Dream-Theater-Klon viele Fans generieren kann, finde ich auch ganz logisch und nachvollziehbar, das ist ja in anderen Genres auch oft so. Würde Michael daher auch nicht zustimmen, da der Stil, den er wohl mit Progressive Metal meint, (bis auf einzelne Bands) niemals kommerziell große Erfolge gefeiert hat. Obwohl ich natürlich nicht weiß, ob Bands dieses Stils früher (in den 90ern?) nicht doch insgesamt mehr verkauft haben. Aber ich hatte auch Mitte der 90er schon das Gefühl, das Prog einfach ein Nischending ist, das sich überwiegend im Underground abspielt (damals waren doch auch nur Dream Theater und vielleicht Queensryche in dem Genre erfolgreich - wenn man den Begriff viel weiter fasst, noch Tool, aber dann ist der Markt für solche Musik - also nicht dem "klassischen" Progressive Metal angehörig, aber im Wortsinne progressive oder zumindest anspruchsvolle Rockmusik - heute vielleicht sogar größer als in den 90ern und evtl. auch als in den 80ern, wenn man z.B. an den Erfolg von Mastodon und anderen, neueren, stilistisch anders gelagerten Bands, die aber irgendwie progressiv sind, denkt).